Wuppertal Institut

Digitale Kreislaufwirtschaft

Die Digitale Transformation als Wegbereiter ressourcenschonender Stoffkreisläufe

Kreislaufwirtschaft als Lösungsweg zu mehr Ressourcenschonung

Aktuell steht die Transformation globaler Produktions- und Konsummuster hin zu einer Kreislaufwirtschaft hoch auf der politischen Agenda. So hat beispielsweise die Europäische Kommission einen Aktionsplan Kreislaufwirtschaft vorgelegt und auch die Sustainable Development Goals (SDGs) führen  kreislaufwirtschaftliche Prinzipien unter  dem SDG 12 „Ensure sustainable consumption and production patterns“ prominent auf. Grundidee der Kreislaufwirtschaft ist es, den Wert von Produkten und Komponenten am Ende ihrer Nutzungsphase möglichst optimal zu erhalten. Voraussetzung dafür ist ein integrierter Ansatz, der beispielsweise die Kreislauffähigkeit von Produkten bereits in der Designphase berücksichtigt, den Nutzungprozess verlängert und in der Nachnutzung für eine weitgehende Wiederverwertung sorgt. 

Die Europäische Kommission hofft bei Umsetzung ihres Aktionsplans auf 580.000 neue Jobs, eine Reduktion der Treibhausgabe um 450 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2030 und Kosteneinsparungen von 600 Milliarden Euro für europäische Unternehmen, was etwa 8 % ihres jährlichen Umsatzes entsprechen würde und neue, dauerhafte Wettbewerbsvorteile für Europa zu schaffen.

Die Einführung der Kreislaufwirtschaft ist vor allem ein Informationsproblem

Angesichts dieser Potenziale stellt sich die Frage, wieso wir in der Realität noch so weit von geschlossenen Kreisläufen entfernt sind. Ein zentraler Punkt zur effektiven Gestaltung von Kreislaufwirtschaft ist die Feststellung, dass dies bis dato vor allem an Informationsproblemen scheitert: Schon 1970 hat der Wirtschaftsnobelpreisträger George Akerlof darauf  hingewiesen, dass weniger Gebrauchtwagen gehandelt werden als eigentlich  möglich wäre. Dies liegt daran, dass die potenziellen Käuferinnen und Käufer nicht wissen, ob das Auto noch ein paar Jahre halten wird oder nur noch zur Verschrottung taugt. Fehlerhafte Autos, die dennoch verkauft werden, werden im Amerikanischen als „Lemons“ bezeichnet, man spricht daher auch von  „Markets for Lemons“. Wären die Kunden jedoch mit hinreichender Sicherheit über die Qualität eines Autos informiert, wären die Anreize zum Kauf deutlich größer  und die Nutzung  einmal bestehender Produkte gleichzeitig intensiver. Weitere Studien haben dies vertieft und eine dezidierte Diagnose entwickelt.

Welche Maßnahmen sind notwendig, um mit Mitteln der Digitalen Transformation Kreislaufwirtschaft zu realisieren?

Erfolgversprechende Lösungsansätze zur Realisierung werden deutlich über reine Entsorgungslösungen hinausgehen müssen, viel früher im Produktionsprozess ansetzen und z. B. stärker als bisher auch Konsumentscheidungen einbeziehen. Ziel muss es sein, Abfälle möglichst weitgehend zu vermeiden und eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Dazu arbeitet das Wuppertal Institut  an einer „Circular Economy Literacy“: Wie können solche umfassenden Veränderungsprozesse ermöglicht, evaluiert und in die richtigen  Bahnen gelenkt werden? Einen Schwerpunkt dabei bildet die Unterstützung der öffentlichen Hand, einen politischen Rahmen für diese Entwicklungen zu setzen. Dieser muss die verschiedenen Akteure zusammenbringen und eine strategische Zielvorstellung für eine digitalisierte Kreislaufwirtschaft in Europa vorgeben: Alle wollen Digitalisierung, alle wollen Kreislaufwirtschaft – aber was ist die gemeinsame Vision und wie kommen wir dahin? Vier Punkte werden dabei von besonderer Bedeutung sein: 

  • Brücken bauen: Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft zusammenbringen
    Nordrhein-Westfalen, aber auch andere Bundesländer, haben die Bedeutung der Themen Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft längst erkannt und vielfältige Initiativen gestartet. Gleichzeitig fehlen die Plattformen, diese beiden Themen systematisch zu verknüpfen. Ein Kompetenzzentrum Digitalisierte Kreislaufwirtschaft würde die Chance bieten, Digitalisierungsansätze und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft zusammenzu- bringen und Beratungsangebote für innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln.
  • Lücken schließen: Unterstützung speziell für KMU
    Vergleicht man die Unternehmensstruktur der Kreislaufwirtschaft mit der klassischen „linearen Wirtschaft“, so zeigt sich ein deutlich höherer Anteil kleiner- und mittelständischer Unternehmen (KMUs), für welche die Digitalisierung eine besondere Herausforde- rung bilden wird: Hohe Investitionserfordernisse und damit hohe Risiken trotz signifikanter Erfolgsaussichten, eine Vielzahl noch ungeklärter Rechtsfragen (bspw. Data und IP-Schutz), oftmals auch einfach fehlende Kapazitäten, sich mit diesen Fragestellungen intensiv beschäftigen zu können – speziell KMU werden besondere Unterstützung benötigen.
  • Orientierung bieten: Wo macht die digitale Kreislaufwirtschaft Fortschritt? 
    Um den richtigen Rahmen für einen solchen Transformationsprozess setzen zu können, werden zwingend Informationen benötigt, wo relevante Potenziale für eine Digitale Trans-formation zur Schließung von Stofkreisläufen und entsprechende kreislaufwirtschafts- basierte Geschäftsmodelle zu lokalisieren sind. „Digital readiness“-Indikatoren auf Basis der Analyse von Techniktrends und Status Quo-Analysen z. B. für einzelne Werkstofe oder für Zielgruppen wie KMU könnten hier wichtige Orientierungspunkte für Politik und Wirtschaft bieten.
  • Big Picture: Wo macht die digitale Kreislaufwirtschaft tatsächlich Sinn?
    Gleichzeitig sollten Kreisläufe auch nur dort geschlossen werden, wo sie zur Ressourcenschonung beitragen: Mit den bestehenden, „linear“ gedachten Produkten ist z. B. ein stofiches Recycling nicht immer ökologisch sinnvoll. Der Einsatz von zusätzlichen In- formations- und Kommunikationstechnologien könnte hier nur zu zusätzlicher Verlusten kritischer Rohstofe wie Tantal oder Indium führen, für die bisher keine ausreichenden Recyclingtechnologien zur Verfügung stehen. Auch hierzu wird es übergreifender Analysen zur Bewertung von Digitalisierungsprozessen erfordern.

Fazit

Die Realisierung der Kreislaufwirtschaft wird eine Vernetzung  der Industrie,  der Abfallwirtschaft und der Unternehmen erfordern, die Software  und Technologien für die Digitale Transformation entwickeln, um ein funktionierendes Wertschöpfungsnetz aufzubauen. Kreislauflösungen können daher am wirtschaftlichsten gleich bei dieser Implementierung mit berücksichtigt werden. Das window of opportunity dafür ist jetzt! Die Umstellung  auf Industrie 4.0, das Internet of Things und ähnliche Entwicklungen finden bereits heute statt. Jede verspätete oder spätere Einführung würde hingegen deutliche Zusatzkosten und ebenfalls teure Systemanpassungen benötigen. Noch verfügt Deutschland über eine internationale Spitzenposition beim Export von Kreislaufwirt- schaftstechnologien – dieser Vorsprung ist jedoch drastisch bedroht, wenn Deutschland nicht bald beginnt, massiv in die Digitalisierung seiner Kreislaufwirtschaft zu investieren.

 

 

Aus "in brief" 04|2017
Wuppertaler Impulse zur Nachhaltigkeit

Dr. Henning Wilts, Geschäftsfeldleiter   I   Dr. Holger Berg, Projektleiter
Wuppertal Institut, Geschäftsfeld Kreislaufwirtschaft

CC BY-NC-ND 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)
https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/4014/

 

 

 

 

 

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